«Mit einfachen Techniken viel erreichen»

Ebikon, 16. August 2022 – Die ersten Lebensjahre sind besonders wichtig: Karin Kalbantner-Wernicke und Thomas Wernicke unterrichten bald bei uns «BabyShiatsu» und «Shōnishin Kinderakupunktur». Hier ein paar Fragen und Antworten.

«Diese ersten Monate im Leben eines Kindes bilden das Fundament für die Meridianentwicklung», sagt Karin Kalbantner-Wernicke und freut sich, mit ihrem Mann Thomas ihr Wissen bei uns an der Heilpraktikerschule Luzern weiterzugeben. Foto: Wernicke

Was ist das Besondere an der therapeutischen Arbeit mit Babys und Kleinkindern?

Karin: Das Besondere ist, dass wir unsere Arbeit mit Babys und Kindern aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: unter dem Aspekt westlichen Entwicklungs- und Bindungswissens und unter dem Aspekt der Meridianentwicklung. Darauf basiert ein von uns entwickeltes Behandlungskonzept, das im BabyShiatsu und im Shōnishin zum Ausdruck kommt. Indem wir nämlich die motorische, sensorische und energetische Entwicklungsdynamik miteinander verbinden.

Wie kam es zu diesem Behandlungskonzept?

Thomas: Dahinter steckt unsere 40-jährige Erfahrung aus der Praxisarbeit mit Kindern und deren Familien. Bereits in den 80er Jahren mussten wir feststellen, dass die Liste der sogenannten behandlungsbedürftigen Kinder immer länger wurde. Viele Eltern sahen und sehen gar nicht mehr, was ihr Kind alles kann, sondern nur noch die ewig langen Befundlisten von Institutionen. Es hat sich aber gezeigt, dass viele Kinder völlig zu Unrecht einen Stempel wie zum Beispiel «verhaltensauffällig» aufgesetzt bekamen.

Wie unterscheidet sich der Unterricht des BabyShiatsu zum Shōnishin von Thomas?

Karin: Thomas und ich arbeiten auf derselben theoretischen Grundlage, Thomas aber schwerpunktmässig im therapeutischen Bereich und ich in der Entwicklungsförderung. Aber eigentlich kann man es gar nicht so auseinanderdividieren. Um ein Beispiel zu nennen: Gerade bei Kindern mit sogenannten ADHS-Symptomen können wir mit Techniken aus dem BabyShiatsu viel unterstützen. Oder, wenn es Bindungsprobleme am Anfang des Elternseins gibt, hat BabyShiatsu enorm viel zu bieten. Wiederum, wenn eine KISS-Problematik, das heisst eine Blockierung der Halswirbelsäule beim Neugeborenen, oder wenn Bettnässen das Thema ist, kommt Shōnishin zum Einsatz. Und nicht zu vergessen, Shōnishin eignet sich auch wunderbar zum Einsatz bei Erwachsenen mit Nadel-Angst.

Habt ihr eine besondere Fallgeschichte? Bzw. eine ganz normale, das ist ja auch gut?

Thomas: Ganz aktuell arbeite ich mit traumatisierten Flüchtlingskindern aus der Ukraine. Hierbei kombiniere ich Karins Handbehandlung aus dem BabyShiatsu mit bestimmten Shōnishin-Techniken. Die Handbehandlung deshalb, um die Kinder aus ihrer Dissoziation herauszulösen, das heisst, dass sie wieder ihren Körper bewohnen. Und Shōnishin zur Regulierung des vegetativen Nervensystems. Es ist erstaunlich, wie schnell durch die Behandlung Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen und Albträume merklich nachlassen.

Die Basis eurer Arbeit ist das «Developmental Concept». Ganz kurz, was ist das? Ist das auch die Basis eures Unterrichts?

Karin: Das Developmental Concept entstand auf der Grundlage des west-östlichen Verständnisses von Entwicklung. Es beschreibt, dass jeder Mensch von Geburt bis zum Erwachsenenalter vier energetische Entwicklungsebenen durchläuft: die Baby- und Kleinkind-Ebene, die Kindergartenkind-Ebene, die Schulkind-Ebene und die Erwachsenen-Ebene.

Die Ebenen bauen aufeinander auf?

Karin: Ja, jede Entwicklungsebene bildet die Basis für die nächste und es liegt im Verlauf der Entwicklungsebene begründet, wie gut der Anschluss der nächsten Ebene möglich ist. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass jede einzelne Ebene möglichst gut «ausgereift» vollendet wird, bevor die nächste auf ihr aufbaut. Nur dann ist die Voraussetzung optimal gegeben, dass im späteren Alter Störungen und Auffälligkeiten vermieden werden. Und genau hierin liegt der Ansatz unserer Arbeit.

Und die Therapie ist individuell, je nach Entwicklungsebene der KlientIn resp. PatientIn?

Karin: Genau. Das Besondere an unserem Entwicklungskonzept ist, dass wir die einzelnen Entwicklungsebenen unter Einbeziehung der Motorik, Sensorik, Emotion und Energie betrachten. Mit dieser ganzheitlichen Sichtweise ist es uns gelungen, entsprechend spezielle Techniken und Methoden zu erarbeiten. Diese werden den Bedürfnissen der KlientInnen oder PatientInnen in der jeweiligen Lebensphase genau angepasst und machen sie deswegen auch so wirkungsvoll. Die Techniken und Methoden vermitteln wir in unseren Ausbildungskursen und üben sie praxisbezogen ein.

Karin, weshalb sind die ersten Monate im Leben eines Kindes so wichtig für die spätere Entwicklung?

Karin: Bereits in den ersten Monaten werden die Weichen für das weitere Leben gestellt. Diese Zeit bildet auch das Fundament für die Meridianentwicklung. Was nun die Babyzeit mit dem späteren Leben zu tun hat, möchte ich an einem Beispiel aufzeigen.

Ja, bitte sehr.

Karin: Die Angst vor der Bauchlage wegen dem plötzlichen Kindstod führt dazu, dass viele Kinder in der Schule grosse Probleme haben, sich aufrecht zu halten und zu konzentrieren. Aber die Bauchlage ist sehr wichtig, denn mit ihr beginnt der erste Schritt zur Aufrichtung und sie ist für unsere spätere Körperhaltung zuständig. Auch für die Entwicklung der Meridiane Dünndarm, Herz, Niere und Blase mit all ihren Themen ist die Bauchlage so wichtig. Durch diese Position erhalten die genannten Meridiane ihren Entwicklungsreiz. Bei unzureichender Bauchlage jedoch können diese Meridiane sich nicht voll entfalten.

Unsere spätere Körperhaltung entwickelt sich also sehr früh?

Karin: Ja, wir sehen, viele – nicht nur körperliche – Probleme, wie sie sich später in der Schule zeigen, entstammen dem ersten Lebensjahr. Die gute Nachricht ist: In diesen Fällen lassen sich dann Techniken aus dem BabyShiatsu auch für ältere Kinder nutzen. Und nicht nur bei Kindern, auch für die Arbeit mit Erwachsenen ist das energetische Entwicklungsmodell sehr hilfreich.

Thomas, Kinderakupunktur, wie reagieren da die Kleinen? Tut das nicht weh?

Thomas: Im Gegenteil – sie lieben die Behandlung. Schliesslich werden sie nicht mit Nadeln gestochen, sondern mit einem stiftähnlichen Instrument sehr sanft behandelt. Manche Kinder sprechen von einer «Streichelbehandlung» und können es kaum erwarten, bis ich sie wieder behandle.

Inwiefern ist das praktische Üben ein wichtiger Bestandteil eurer Kurse? Oder gibt es viel Theorie? – Erhalte ich die Hilfsmittel im Kurs oder muss ich die schon mitbringen?

Karin: Die ersten beiden Kurstage finden online statt. Da werden theoretische Anteile vermittelt, aber auch erste praktische Techniken eingeübt – zumindest, was BabyShiatsu betrifft. Gerade beim BabyShiatsu wünschen wir uns, dass die TeilnehmerInnen die Techniken dann auch gleich umsetzen.

Thomas: In den anschliessenden Präsenzteilen von Shōnishin und BabyShiatsu liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der praktischen Arbeit. Diese wird gegenseitig durchgeführt, aber auch an einer Puppe. Daher ist es wichtig, eine weiche Baby-Puppe für die praktischen Einheiten bereit zu halten. Das spezielle Shōnishin-Instrument kann während des Präsenzkurses erworben werden.

Karin: Und zu jedem Kursteil gibt es ausführliche Handouts – das gilt für BabyShiatsu und für Shōnishin.

Wie ist es dazu gekommen, dass ihr BabyShiatsu und Shōnishin in Deutschland und der Schweiz anbietet? Was ist euer Anliegen?

Karin: Wir wollen zeigen, wie mit einfachen Techniken ganz viel erreicht werden kann. Und natürlich wollen wir ein holistisches Menschenbild vermitteln. Aber vor allem möchten wir Familien auf ihrem Weg begleiten und sie darin unterstützen, dass alle Familienmitglieder ihre Potentiale entfalten dürfen. Thomas' Shōnishin-Lehrer Tanioka sensei drückt das sehr gut aus mit dem Satz «Für das Lächeln der Kinder».

Übrigens, wie bist du, Karin, als Kinderphysiotherapeutin, und du, Thomas, als Facharzt für Allgemeinmedizin zur Alternativmedizin/KomplementärTherapie gekommen? Ein Ereignis?

Karin: In den 70ern hatte ich meine Physiotherapie-Ausbildung absolviert. Das war zwar die Zeit des Aufbruchs im Bereich Körpertherapien, doch die damalige Ausbildung hatte mich sehr enttäuscht, weil ich in der herkömmlichen Physiotherapie einen ganzheitlichen Aspekt vermisste. Deshalb habe ich angefangen, mich in der Welt umzublicken. Ich fuhr für drei Monate nach Kalifornien, wo es so etwas wie ein Zentrum der ganzheitlichen Körpermethoden gab.

Die Shiatsu-Ausbildung hast du aber in Japan absolviert?

Karin: Ja, von Kind auf hat mich Japan fasziniert. Ich kann gar nicht sagen, wie das eigentlich kam. Und so kam dann eins zum anderen und ich flog nach Japan und machte die Shiatsu-Ausbildung bei Namikoshi sensei, die schwerpunktmässig von westlichem Denken geprägt war. Anschliessend arbeitete ich in Tokyo im «Kurhaus», einem Therapiezentrum für traditionelle japanische Medizin.

Ist dir diese Lehrzeit in guter Erinnerung?

Karin: Ja, im Rückblick muss ich sagen, dass die Zeit im «Kurhaus» meinen späteren Weg nachhaltig beeinflusst hat. Besonders meine Fokussierung auf Haltung und Bewegung im Shiatsu. Und das immer mit dem Anspruch, wie innere und äussere Haltung bestimmte Muster entwickeln. Mittlerweile unterrichte ich BabyShiatsu regelmässig in Japan.

Thomas, wie bist du zur Alternativmedizin gekommen?

Thomas: Eine dreijährige Feldforschung auf den Philippinen im Rahmen einer ethno-medizinischen Doktorarbeit zeigte mir erstmalig sehr konkret, dass neben der Schulmedizin auch andere Medizinsysteme sehr powervoll sein können. Dann, in den 80ern, reiste ich mit Karin nach Japan und fand dort den Weg in die japanische Akupunktur. Meine Begegnung mit Tanioka sensei, einer der bekanntesten und einflussreichsten Shōnishin-LehrerInnen in Japan, veränderte dann viel. Tanioka sensei ist einer der wenigen, der sein Wissen an WestlerInnen weitergibt und bereit ist, neue Entwicklungen aufzunehmen und zu verbreiten. Ich wurde sein Schüler und später autorisierte er mich als Shōnishin-Lehrer.

Herzliche Gratulation. Wie ging es danach weiter?

Thomas: Danke. In den darauffolgenden Jahren führte ich Forschungen und Studien über Shōnishin durch und schaffte neue Standards in der Behandlung mit Shōnishin, angepasst an den heutigen Wissensstand. Seit einigen Jahren unterrichte ich auch in Japan Shōnishin.

Vielen Dank, Karin und Thomas, für das Gespräch.

Sehr gerne, Veronika.

 

Karin Kalbantner-Wernicke ist gelernte Physiotherapeutin, sie führt das aceki-Institut in Deutschland und ist Ausbildungsleiterin des Developmental Babyshiatsu. Ihre Ausbildung hat sie in Japan absolviert, wo sie auch regelmässig unterrichtet.

Thomas Wernicke war Facharzt für Allgemeinmedizin, dann fand er den Weg in die japanische Akupunktur. Von einem der bekanntesten und einflussreichsten Lehrer Japans erlernte er die Shōnishin-Akupunktur und unterrichtet heute selbst an verschiedenen Schulen, auch in Japan.

BabyShiatsu

Weiterbildung mit Karin Kalbantner-Wernicke

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Shōnishin Kinderakupunktur

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